lab.30 – Medienkunstlabor 2008 (review) | thomas-stark.net

014_lab30_logo_100mm-neu-2367194Vom 13. bis 15. November fand nun schon zum 7. Mal das Medienkunstlabor lab.30 im Augsburger Kulturhaus Abraxas statt, auf dem wir heuer am Samstagabend ein paar Stunden verbrachten. Geboten wurden uns an diesem Abend eine Ausstellung mit 18 Objekten und Installationen, die überwiegend im Gebäude verteilt waren. Außerdem fanden parallel noch ein paar Live-Performances bzw. Konzerte statt. Um sich mit allen Ausstellungsstücken und Aufführungen intensiv zu beschäftigen, war für uns die Zeit zu kurz. Doch auf ein paar Aspekte möchte ich hier kurz eingehen.

Ausstellung

Piu! Piu!
Meine erste, wenn auch nicht ganz freiwillige, Berührung mit einer Installation war an diesem Tag “Piu! Piu!” von Andreas Gobell und Ulrich Siegmeier. Hierbei geht es um ein (grafisch einfaches) 3D-Computerspiel, das auf eine Leinwand projiziert wurde. Der Spieler, also ich, bekam einen Helm aufgesetzt, auf dem ein Wii-Controler befestigt war. Durch Neigen des Kopfes konnte man so durch auf einen zukommende Hindernisse navigieren. Einige Hindernisse konnten auch zerstört oder “geöffnet” werden, was durch ein lautes “Piu!” bzw. “Aaaahhh!” auszulösen war. Da das Ganze ja sozusagen in der Öffentlichkeit stattfand und man dabei wirklich sehr laut schreien musste, hatte ich ein etwas unangenehmes Gefühl dabei, was aber sicher auch beabsichtigt war. Im Endeffekt war es aber eine sehr interessante Erfahrung, Teil des Spiels zu sein und bedingt durch das laute Schreien Aufmerksamkeit von mir unbekannten Personen zu erhalten.

Standard Time
Diese Videoinstallation war auch sehr nett zu betrachten. Zu sehen war eine Aufzeichnung, auf der insgesamt 70 Arbeiter in Echtzeit aus Brettern 4 Meter hohe Ziffern bauen, die die aktuelle Uhrzeit darstellen. Einerseits hatte es etwas sehr Beruhigendes, wie locker leicht von einer Minute zur anderen die Bretter ummontiert wurden. Andererseits verspürte man aber auch immer wieder einen Zeitdruck und zweifelte daran, ob die nächste Uhrzeit auch rechtzeitig fertig werden würde. Diese Installation könnte ich mir auch sehr gut an einem öffentlichen Platz vorstellen, an dem man sich einfach mal die Zeit nehmen kann, den Mitwirkenden bei der Arbeit zuzusehen.

Appeel
Eine weitere interaktive Installation, die sich durch rege Publikumsbeteiligung auszeichnete war “Appeel” von TheGreenEyl. Anfangs war Appeel einfach nur eine Wand, die gleichmäßig mit blauen runden Aufklebern beklebt war. (Das Foto hier ist nicht vom Samstag. Deshalb orange!) Die Idee bestand nun darin, dass jeder Besucher an beliebigen Stellen Aufkleber abziehen und sie irgendwo auf der Welt wieder anbringen konnte.

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(thegreeneyl.com – some rights reserved cc-by-nc-nd)

So entstanden einerseits (gewollte und zufällige) Muster aus weißen Flecken an der Wand und andererseits waren mit der Zeit auch an mehreren Stellen im Gebäude verschiedenste Muster aus den Stickern zu finden. In dem Beschreibungstext war zu lesen: “Appeel ist ein Virus, das sich durch interagierende Individuen verbreitet.” – Und ich muss sagen: “Es hat funktioniert.” Das Virus hat mit Sicherheit eine große Verbreitung gefunden, da auch einige Besucher die Sticker z.B. an Kleidungsstücken mit nach Hause trugen. Und es dürfte auch einige Zeit dauern, bis das Virus wieder aus dem Abraxas verschwunden ist. Einige Sticker werden wohl noch eine Weile unentdeckt bleiben.


Konzerte/Performances

Mark Polscher
Als wir an diesem Abend das erste mal den Theatersaal betraten, kamen wir in einen abgedunkelten Raum, der von großer Aufmerksamkeit und atmosphärischen, kühlen Klängen erfüllt war. Es waren die letzten Sekunden der Uraufführung von “Anakoluth 3. Zone (and so they come)”, einem vierteiligen Werk von Mark Polscher. Jetzt im Nachhinein ärgere ich mich ein wenig darüber, mich nicht im Vorfeld intensiver mit dem Programm beschäftigt zu haben. Die Aufführung von Polscher hätte mich doch sehr in voller Länge interessiert.
Schade drum. Kann man aber nicht mehr ändern. Nächster Teil:

Modified Toy Orchestra
Unser persönliches Highlight aber war der Auftritt von Modified Toy Orchestra (myspace). Das fünfköpfige Orchester aus Großbritannien lieferte einen Auftritt in einer Art, wie ich sie mir von Kraftwerk immer vorgestellt hatte. Vertieft in die eigene Musik werkelten sie an ihren Instrumenten. Diese bestanden allesamt aus umgebauten Kinderspielsachen wie Barbiepuppen, Geräuschcomputern, Spielzeuggitarren und -keyboards und anderen Spielsachen, die irgendwelche Geräusche von sich geben. Die Stücke hatten alle eine Art C64-Klangästhetik und bewegten sich teilweise im poppigen Bereich und wechselten sich mit eher experimentellen Noise/Glitch-Stücken ab.

Es war ein sehr abwechslungsreiches Programm, das im Hintergrund von einer nicht zu verachtenden Videoperformance begleitet wurde. Den Abschluss der Auftrittes machte “Pocket Calculator“, was meinen Kraftwerk-Eindruck natürlich noch unterstützte. Im Anschluss kauften wir den sympathischen Jungs gleich noch ihr aktuelles Album ab, welches uns auf der Heimfahrt im Auto als Soundtrack diente.

Sonic Wargame
Die letzte Performance im Theater war eine Art “Kampf um das Gehör des Publikums“. Vier Teams traten gegeneinander an, sich Hörbarkeit zu verschaffen. Vor den Türen wurde an das wartende Publikum schon mal vorsichtshalber Gehörschutz verteilt, was auf mich einen etwas befremdlichen Eindruck machte. Schließlich gäbe es ja auch die Möglichkeit, die PA einfach ein wenig leiser zu drehen. Naja. Mit einigen Minuten Verspätung wurden wir ins Theater gelassen und nach einer kurzen Erklärung ging es dann auch schon los. Erst einmal stellte ich fest, dass der Gehörschutz nicht nötig war und versuchte, mich mit offenen Gehörgängen zu orientieren. Ich muss aber leider gestehen, dass mir nach der kurzen Einführung die Regeln nicht klar waren. Ich wusste nur, dass jedes Team versucht, hörbar zu sein, und dass die Teams sich gegenseitig wählen können. Auf einer Leinwand wurde auch versucht, das Ganze grafisch darzustellen. Aber wie gesagt: Ich hab’s leider nicht kapiert. Und somit verließen wir nach ca. 10 Minuten mit gemischten Gefühlen den Saal und schlossen den Abend für uns ab. Aber ich glaube, dass das Sonic Wargame durchaus eine interessante Sache war. Wenn man die Regeln verstanden hat, jedenfalls.

Fazit:
Das lab.30 war wieder einmal eine sehr inspirierende Veranstaltung von der ich viele interessante Eindrücke mit nach Hause genommen habe. Der Abend erweckte in mir wieder die Lust, etwas Neues auszuprobieren. In diesem Zusammenhang wurde ich am Sonntag von @derHoppe auf “Circuit Bending” aufmerksam gemacht. Und ich erinnerte mich daran, bei phu2 (twitter) einmal etwas über Pure Data gelesen zu haben. Beide Themen werden mich in nächster Zeit sicherlich mehr oder weniger beschäftigen. Außerdem freue ich mich schon auf das nächste Jahr im Abraxas. Vielleicht läuft man sich ja dann auch mal über den Weg.