Was ich zur Corona-Pandemie loswerden muss

Vorwort

Vorweg möchte ich erklären, warum ich diesen Text geschrieben habe. Meine Absicht ist nicht, irgendjemanden für sein Verhalten zu kritisieren. Jeder Mensch verhält sich so, wie er es für richtig hält, und jeder hat seine individuellen Gründe dafür. Auch geht es mir nicht um die aktuellen Maßnahmen, und ob etwas verboten ist, oder nicht. Ich möchte nur erklären, auf welcher Grundlage mein aktuelles Verhalten beruht, und warum ich gewisse Dinge für sehr wichtig halte.

Dann legen wir mal los

Wenn ich so mein Umfeld betrachte, sehe ich Menschen, die sich an die aktuell gebotenen Regeln im Zusammenhang mit Sars-CoV-2 halten, aber leider auch viele Menschen, die die Sachen offenbar nicht so ernst nehmen. Ob beim Einkaufen, im privaten Umfeld, oder beim Arbeiten. Ich kann das tatsächlich auch ein Stück weit nachvollziehen, denn wenn wir die Situation einfach mal betrachten, ohne uns viel für das Thema zu interessieren, dann ist einfach nichts los. Also, jetzt unabhängig von der Nachrichtenlage. Draußen, vor der Haustür. Im Bekanntenkreis, im Kollegenkreis. Kaum jemand kennt einen Infizierten, und noch viel weniger kennen einen Todesfall. Alle sind gesund, alles scheint harmlos, und die Gefahr dadurch sehr abstrakt. Alles scheint übertrieben. Ich kann das verstehen. Ehrlich.

Manchmal kommt man sich / komme ich mir evtl. spießig vor, weil man sich an die Regeln hält, obwohl „nichts ist“. Die Leute, die das nicht so eng sehen, könnten sich denken „ja, gut, der nimmt es immer so genau. Der fährt ja auch immer exakt 50 im Ort, und hält sich sonst an alles. Schon klar, dass der sich da jetzt auch so genau dran hält.“ Aber ich schreibe das hier, weil ich ganz klar sagen möchte, dass es nichts mit Spießigkeit zu tun hat, sondern mit Vernunft, und Respekt und Rücksicht gegenüber den Mitmenschen.

Seit ungefähr ende Februar versuche ich, mir möglichst viel Wissen über Sars-CoV-2 anzueignen. Ich habe unzählige Stunden damit verbracht, Sachen zu lesen, und anzuhören. Und nein, ich bin kein Virologe, Epidemiologe, oder sonstwas. Aber ich kann beurteilen, ob ich etwas plausibel und nachvollziehbar finde, oder ob es Geschwurbel ist, das sich ständig widerspricht. Von dem her halte ich mich für gut informiert, auch wenn das jetzt vielleicht ein Eigenlob ist, aber egal. Zum einen lese und höre ich so viel, weil ich komplexe Sachverhalte gerne verstehen möchte, aber es geht mir vor allem auch darum, dass ich eine eventuelle Gefahr für meine Familie, mein Umfeld und mich gerne objektiv beurteilen können möchte, um sie ggf. abwehren zu können.

Nun, Thomas, die aktuellen Maßnahmen sind doch übertrieben, oder?

Naja betrachtet man die aktuellen Daten und wissenschaftlichen Erkenntnisse, zeigt sich deutlich, dass da nichts übertrieben ist. Pavel Mayer sagt zum Beispiel in UKW020 Corona Weekly: Zahlen und Apps, dass nach seiner Datenanalyse die Maßnahmen hier in Deutschland keinesfalls zu früh kamen. Wären sie 2 Wochen später gekommen, wären die Krankenhäuser vollkommen überlastet gewesen. Und auch wenn es nur eine Woche später gewesen wäre, wäre das Gesundheitssystem voll am Anschlag gewesen, und alle Daten (Fälle/Tote) 4x so hoch. (bei Minute 22:13)

Um es mal so zu sagen: Den Zustand, dass „nichts ist“, haben wir den frühen Maßnahmen zu verdanken. Oder wie es Jan Böhmermann im März so treffend formuliert hat: Link zu Twitter.

Gut, und jetzt? Ist ja bald geschafft. Sieht ja ganz gut aus jetzt.

Leider nicht.

Na? Das Video ganz angeschaut? Nein? Zu viel Infos? Zu ernüchternd?

Und da sind wir auch schon beim Problem, dass viele keine Lust (mehr) haben, sich weiter zu informieren. Denn: Man muss schon ziemlich viel aushalten. Die Pandemie IST ein großes Problem. Gute Nachrichten sind selten. Und wer hat schon Lust, sich tagtäglich der frustrierenden Realität zu stellen? Zumal es sich auch ganz gut wegignorieren lässt, denn, wie oben beschrieben: „es ist ja nichts“.

Ok, Thomas, und warum verhältst Du Dich so?

Nun, es gibt ein paar Erkenntnisse, die mir keine andere Möglichkeit geben, als mich so zu verhalten.

Zuerst muss man verstehen, dass Covid-19 nicht einfach eine „Erkältung“ ist, an der „nur“ sehr alte Menschen sterben. Auch die Aussage, dass es doch „nur eine neue Grippe“ sei, trifft nicht zu. Covid-19 hat das Potential, über 40 Millionen Tote weltweit zu verursachen.

Das zeigt sich auch ganz deutlich in den Zahlen. Hier beispielsweise die Übersterblichkeit in England im Vergleich zur saisonalen Grippe und Lungenentzündung:

[twitter.com/ONS/statu…](https://twitter.com/ONS/status/1252518098047041536)

(Nachtrag vom 27.04.2020: Hier ein Artikel der New York Times zur Übersterblichkeit in vielen Ländern.)

Der Anteil der Verstorbenen liegt aktuell in Deutschland bei 3,6%. Das ist der Anteil unter den im Labor bestätigten Fällen. Und wenn das Gesundheitssystem überlastet ist, ist die Zahl deutlich höher (siehe etwa Italien). Die Letalität, also der Anteil der Verstorbenen an den tatsächlich Erkrankten, liegt natürlich unter diesem Wert, weil nicht bekannt ist, wie hoch die Dunkelziffer ist. Der Anteil der Patienten, die beatmet werden müssen, schwankt auch sehr stark. Innerhalb Hubeis zwischen 20-25% und in ganz China zwischen 2-6%. Selbst wenn wir vom kleinsten Wert ausgehen, ist das Erlebnis, beatmet werden zu müssen, sicher eins, das man nicht unbedingt mitmachen muss.

Und auch wenn wir jetzt immer von den niedrigsten Werten ausgehen, und Covid-19 als nicht sehr gefährlich wahrnehmen, so muss man beachten, dass die Krankheit als Pandemie auftritt, gegen die (vermutlich) kein Mensch Antikörper hat, und nicht als endemische Krankheit, gegen die immer ein Teil der Bevölkerung schon immun ist. Sars-CoV-2 kann sich also viel schneller, weiter und vor allem ungebremster ausbreiten, als die jährliche Influenza oder Erkältungen.

(Christian Drosten im Coronavirus-Update Folge 1)

Also, ich denke, wir sollten uns einig sein, dass es sich um keine harmlose Krankheit handelt. Und auch wenn ich mich selbst als nicht hoch gefährdet sehe, so kennt doch jeder von uns Menschen im Familien- und Bekanntenkreis, die zur Risikogruppe gehören, und die es zu schützen gilt.

Jetzt könnte man denken „Gut, bleib ich eben zuhause, wenn ich Husten, Fieber, Halsweh habe, dann stecke ich niemanden an.“ Doch so leicht ist es leider nicht. Auch wenn wir uns alle seit Monaten nun alle immer fleißig die Hände waschen, so ist eine Übertragung über die Hände doch nicht sehr wahrscheinlich (Dieser Thread von Pavel Mayer ist sehr aufschlussreich). Der Hauptübertragungsweg ist die Tröpfcheninfektion, also virushaltige Tröpfchen, die beim Husten und Niesen (und ich ergänze „beim Sprechen“) durch die Luft fliegen, und eingeatmet werden.

Und jetzt kommt meiner Meinung nach der Knackpunkt: 44% der Übertragungen finden vor Symptombeginn statt, man ist im Schnitt 2,5 Tage vor den Symptomen ansteckend, und der Tag mit den meisten Übertragungen ist der Tag VOR Symptombeginn (RKI-Steckbrief). Fast die Hälfte der Ansteckungen findet also statt, bevor der Träger überhaupt davon wissen kann, dass er infiziert ist.

(Christian Drosten im Corona-Update 34)

Die mittlere Zeit von Ansteckung bis Krankheitsbeginn beträgt ca. 6 Tage. Das bedeutet, dass bei Symptombeginn schon die übernächste Generation angesteckt sein kann.

Mal ein konkretes Beispiel dazu: Wenn ich mich vielleicht in der Arbeit oder beim Einkaufen anstecke, dann stecke ich nach 3-4 Tagen meinen Sohn an, der dann wieder 3-4 Tage seine evtl. zur Risikogruppe gehörenden Großeltern ansteckt. Und erst zu diesem Zeitpunkt bekomme ich Symptome, aber dann ist es schon zu spät, weil die ganze Infektionskette bis zu diesem Zeitpunkt ohne Warnzeichen abgelaufen ist. Und weil mir das so wichtig zu verstehen erscheint, habe ich mal eine kleine Zeichnung gemacht:

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Jeder kann also Träger sein und andere anstecken, ohne es selbst zu wissen. Und genau deshalb verhalte ich mich so, halte ich Abstand, gehe gerne mit Maske einkaufen, verwende die Maske wann immer es mir sinnvoll erscheint. Nicht in erster Linie für mich, sondern aus Rücksicht und Respekt, und weil ich nie weiß, ob von mir eine Gefahr ausgeht.

Das war jetzt viel Arbeit, aber es war mir wichtig, das mal aufzuschreiben.

Vielen Dank für‘s Lesen, und bleibt gesund.

Ein paar Hinweise zum Schluss

Ich bin kein Wissenschaftler, kein Arzt, kein Seuchenexperte, kein Statistiker, und nichts dergleichen. Ich habe aber alles sehr sorgfältig zusammengetragen, und alles mit den Quellen verlinkt, damit es jeder selbst nachlesen kann. Sollte jemandem ein Fehler auffallen, schreibt mir. Und falls Diskussionsbedarf besteht, schreibt mir auch. Danke.

Falls Bedarf besteht: Correctiv, Mimikama und die GWUP bieten großartige Faktenchecks an, die gut recherchiert sind. Also, wer an den Fakten zweifelt, kann da gerne mal nachschauen.

Und hier noch ein Video, welches zeigt, wie sich Tröpfchen in der Luft verteilen und wie lange sie bleiben. Einfach, um euch ein bisschen Angst zu machen 😀 Unabhängig von Sars-CoV-2.

Und eins noch. Auch wenn ich anfangs geschrieben habe, dass ich niemanden kritisieren möchte: Diejenigen, die sich komplett ignorant benehmen, auch nach einem Hinweis keinen Abstand halten, Partys schmeißen, und auf alles scheißen, die dürfen sich durchaus kritisiert fühlen. Aber die werden auch nicht bis hierher gelesen haben 😉


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